3. Evaluation und Qualitätsentwicklung
3.1. Was ist Evaluation?
Evaluieren heißt vom ursprünglichen Wortsinn her den Wert
z.B. eines Grundstückes schätzen. Auf den Bildungsbereich,
auch auf das Schulwesen bezogen, wird unter Evaluation ein Prozess des
systematischen Sammelns und Analysierens von Daten und Informationen
verstanden, um die Qualität von Schule zu sichern und weiterzuentwickeln.
Bisher wurde im Bildungsbereich über die Einführung qualitätssichernder
Maßnahmen eher skeptisch oder negativ geurteilt, weil sie darauf
abzielten, Probleme aufzuspüren als dazu beitrugen, positive Entwicklungen
anzustoßen. Evaluation soll aber vor allem die Stärken und
positiven Entwicklungen der jeweiligen Schule herausstellen, bzw. die
Bedingungen für das Gelingen von Vorhaben verständlich machen.
Evaluation in der Schule findet schon immer und kontinuierlich statt:
Im kollegialen Gespräch, in den Fachkonferenzen, auf Elternabenden,
in den Schulgremien, bei der Beratung von Referendaren, um hier nur
wenige Beispiele zu nennen. Wenn nun Evaluation im Rahmen des Schulprogramms
als dauerhafter Bestandteil schulischer Arbeit festgeschrieben wird,
ist damit auch eine neue, wichtige Zielvorgabe gemacht: Schule soll
ihr Handeln begründen können, ihre Entscheidungen auf eine
gemeinsame Grundlage stellen und ihre Erfolge und Misserfolge systematisch
reflektieren. Evaluation heißt auch Rückmeldung, ohne Echo
ist keine pädagogische Arbeit möglich. Evaluation kann dann
im Sinne von Rückmeldung funktionieren, wenn sie hilft, Entscheidungen
verständlich und überprüfbar zu machen und eine Verständigung
über die Maßstäbe herbeizuführen, die Entscheidungen
und Bewertungen zu Grunde liegen. Evaluation, zumal interne, kann nur
dann erfolgreich betrieben werden, wenn ihr Nutzen für alle Beteiligten
deutlich wird. Wenn Evaluation die Kooperation und Offenheit in der
Schule fördern soll, müssen abweichende Standpunkte und Minderheitenmeinungen
unbedingt einbezogen werden, d.h. ein glaubwürdiges Gesamtbild
der Schule darf nicht künstlich geglättet werden.
Es gibt keinen Königsweg der Evaluation, jede Schule muss im
Rahmen ihrer spezifischen Entwicklung und ihrer besonderen Bedingungen
einen eigenen Weg finden. Die Ziehenschule hat auch als Europaschule
interne und externe Evaluationsaufgaben wahrzunehmen.
Der Begriff Evaluation bedeutet im staatlichen Schulsystem eine neue
Form der Autonomie im organisatorischen Bereich. Es ist angestrebt,
dass wir als Ziehenschule unsere vielfältigen Angebote peu à
peu auf ihre Effizienz und Tauglichkeit hin überprüfen, um
feststellen zu können, wo Ressourcen oder Kräfte verschleudert
werden, die an anderer Stelle gezielter gebündelt, effizienter
eingesetzt werden könnten. Dies ist nur dann möglich, wenn
die Schulprogrammarbeit als Prozess verstanden wird, den das Kollegium,
die Elternschaft und die Schülerinnen und Schüler konstruktiv
und kritisch begleiten. Transparenz, Kooperation und Koordination der
verschiedenen Aktivitäten an der Ziehenschule liegen im Interesse
der ganzen Schulgemeinde. Zur Prozesshaftigkeit von Evaluation gehört,
dass sie sich bestimmte, nicht zu umfangreiche Aufgaben vornimmt, die
sich als Aktionsprogrammpunkte verstehen und im angestrebten Zeitraum
auch tatsächlich zu leisten sind.
3.2. Interne und Externe Evaluation
In der folgenden Aufstellung werden Bereiche genannt, in denen die
Ziehenschule bereits evaluiert bzw. zukünftige Evaluationsaufgaben
sieht.
Beispiele für Interne Evaluation |
Beispiele für Externe Evaluation |
Lernzielkontrollen
Vergleichsarbeiten in 6, 8 und 10
Kollegengespräche
Umfragen bei Schülern u. Eltern
Runde-Tisch-Gespräche
Lehrer-Schüler-Eltern
Pädagogische Tage
Schulprogrammarbeit
Fortbildungen / ZILF
Sprachenportfolio |
Schulpartnerschaften
Kontakte mit Universitätseinrichtungen und Betrieben
Abitur/Bac
Referendarausbildung
Europa-Lehrer
BLK-Projekt: Neue Medien
Europaschul-Programm
wissenschaftlich begleitete Studien z.B. TIMMS, PISA, Regulese
Schülerwettbewerbe |
Bei einer Umfrage im Kollegium der Ziehenschule hat sich eine große
Mehrheit für eine Evaluation der folgenden schulischen Angebote
ausgesprochen:
Fachbereich I: |
Bilingualer Sachfachunterricht in einer Klasse der Sek I
- Kompensationskurs Deutsch |
Fachbereich II: |
Betriebspraktikum |
Fachbereich III |
ein Projekt aus der BLK-Modellregion |
Hinzu kommen noch |
Methodentraining „Lernen lernen“ Klasse 5
- Lernbedingungen und Arbeitsatmosphäre in den Klassen |
Ausgehend von diesen Überlegungen und Übereinkünften
legen wir Aktionspläne für einen Zeitraum von bis zu drei
Jahren fest (vgl. 4.).
3.3. Die Arbeit der Steuergruppe
3.3.1. Rückblick
Schulprogrammarbeit wurde und wird im Kollegium weitgehend als theoretische
Arbeit fürs Regal, für die Behörde, für die Außenwirkung
gesehen. Die Verordnung von Schulprogrammarbeit durch das Kultusministerium
übermittelte dem Kollegium unausgesprochen die Botschaft von Mehrarbeit,
die im Kontext von Arbeitszeitverlängerungen, Erhöhung der
Klassenfrequenzen, mangelnder materieller Ausstattung der Schulen und
stetig wachsender pädagogischer und bürokratischer Aufgaben
nicht als Hilfe verstanden wurde, sondern Ablehnung hervorrief: “Was
bringt mir ein Schulprogramm, wenn sich die faktischen Unterrichtsbedingungen
seit Jahren immer nur verschlechtern?“
Auch die Steuergruppe vermochte bisher nur punktuell den Sinn und
Nutzen von Schulprogrammarbeit ins Kollegium hinein zu tragen. Sie selbst
war über die vier Jahre ihrer Existenz hinweg andauernden personellen
Veränderungen ausgesetzt, war von ihrer Arbeits- und Kommunikationsweise
her stark hierarchisch geprägt, hatte und entwickelte auch keine
dauerhafte und ausreichende Anbindung ans Kollegium, was wiederum ihre
Arbeit selbst wenig transparent erscheinen ließ.
So könnte man rückblickend die Arbeit am Schulprogramm unserer
Schule mit einer Wanderung im Nebel vergleichen, bei der man sehr unsicher
voran schreitet, im Kreis läuft, sogar rückwärts geht,
sich verirrt, fällt, sich gegenseitig behindert, sich aber auch
stützt und dann doch, vielleicht ganz unerwartet, ein Stück
weiter kommt...
Hier soll auf einige Etappen dieser Wanderung zurück geblickt
werden: Die Auswertung der Fragebogen-Aktion 1998 von Lehrerschaft und
Eltern brachte eine erste Bestandaufnahme, gefolgt von Diskussionen
in allen Gruppen um die Frage: Wie sehen und beurteilen wir uns selbst
als Schulgemeinde? Die Zusammenarbeit mit den ElternvertreterInnen war
in dieser Zeit sehr intensiv, sie waren zum Beispiel mit ihrem ersten
Entwurf für ein Schulprogramm, das Ideen für eine Cafeteria
und eine Hausaufgaben-Betreuung enthielt (die mittlerweile realisiert
sind!), die „Zugpferde“ der Steuergruppe.
Aktiv beteiligt waren ElternvertreterInnen auch an dem ersten Pädagogischen
Tag zum Schulprogramm 1999, der mit der Vielfalt seiner Themen, der
breiten und engagierten Beteiligung der KollegInnen ein Höhepunkt
der Schulprogrammarbeit war. Die Themen entsprangen offensichtlich den
Bedürfnissen der TeilnehmerInnen, was sich auch vor allem daran
zeigte, dass über diesen Tag hinaus an etlichen Fragestellungen
weiter gearbeitet wurde: Lernen lernen, neue Unterrichtsmethoden, Übergänge,
Förderunterricht, Teamarbeit. Manches davon hat inzwischen konkrete
Gestalt angenommen bzw. ist sogar schon fester Bestandteil des Schulprogramms
der Ziehenschule geworden, wie zum Beispiel Lernen lernen in Klasse
5, Übergang 4/5, Förderunterricht.
Eine Verbindung zwischen diesen Themen, die direkt am schulischen,
am unterrichtlichen Schulalltag ansetzten, und der Arbeit am Schulprogramm
wurde nicht dauerhaft aufgebaut. Die Anforderungen der Behörde
an ein Schulprogramm wurden weiterhin als „abgehoben“, als
„theoretisch“ empfunden und wirkten, in Kombination mit
dem zeitlichen Druck, bremsend auf die Schulprogrammarbeit.
Erst der Status „Europaschule“ gab der Ziehenschule und
ihrer Programmarbeit neuen Schwung: Der Schule wurde deutlich, dass
sie viele der für die Aufnahme in den Kreis der Europaschulen entscheidenden
Kriterien schon erfüllte. Das stärkte einerseits das Selbstbewusstsein
(„Das können, das machen wir schon“) und brachte andererseits
auch endlich einmal nicht nur neue Anforderungen, sondern auch Unterstützung
in Form von zusätzlichem Geld ins Haus. Ab Sommer 2000 verbanden
sich Schulprogrammarbeit und Europaplanungsarbeit sehr eng miteinander.
Der Pädagogische Tag im November 2000 war ein Spiegel dieses Zusammenspiels:
Hier wurden, ähnlich wie schon am Pädagogischen Tag 1999,
nah am Arbeitsalltag und jetzt auch bezogen auf die neuen Chancen als
Europaschule Planungen entwickelt. Die Methode, alle KollegInnen einzubeziehen
und grundlegende Teile, wie die sogenannte „Präambel“
zum Beispiel, mehrfach, in verschiedenen Gruppen zu diskutieren und
zu bearbeiten, war zwar mühsam, aber erfolgreich.
So hat sich an der Schulprogrammarbeit der Ziehenschule deutlich gezeigt,
was die Kultusministerien, die Schulprogramme verordnet haben, nicht
nur in Hessen spüren: Dass Erarbeitung und Fortschreibung von Schulprogrammen
nur dann fruchtbar für die Entwicklung der Schulen werden, wenn
die gestellten Anforderungen von konkreten Unterstützungsmaßnahmen
begleitet werden (Geld, Stundenentlastungen, gezielte Fortbildungen,
Verbesserung der Infrastruktur, Entlastung von außerunterrichtlichen
Tätigkeiten oder gezielte Förderung in diesen Bereichen etc.)
Als Anmerkung sei hier nur notiert: Schlussfolgerungen über Konsequenzen
aus den Ergebnissen der PISA-Studie (2001) beinhalten ähnliche
Gedanken.
Die vorläufig letzte Phase bis zur Fertigstellung des 1.Schulprogramms
im Sommer 2002 verläuft pragmatisch: Es wird ergänzt, aktualisiert,
inhaltlich und redaktionell überarbeitet. Die Schulgemeinde ist,
soweit man hier verallgemeinern kann, der Auffassung, dass am Haus auch
gebaut werden kann, wenn man drin wohnt.
3.3.2. Ausblick
Das Kollegium der Ziehenschule hat in den letzten vier Jahren, auch
angestoßen durch die Schulprogrammarbeit, viele Veränderungen
in Angriff genommen, vor allem auch im Hinblick auf Teamarbeit und Kooperation,
die die Zusammenarbeit mit Eltern und SV einschließen.
Auch die Steuergruppe sollte ihre Arbeit künftig besonders unter
diesen Aspekt stellen, denn nur eine Steuergruppe, die das Kollegium
breit repräsentiert, kompetent in Kooperation und flach in der
Hierarchie ist und nah an den alltäglichen Problemen der KollegInnen
arbeitet, kann das Schulprogramm als ARBEITSPROGRAMM, als Prozess des
gemeinsamen LERNENS im Kollegium, als permanente, schulinterne FORTBILDUNG
weiter entwickeln.
Dieses Ziel konkret umzusetzen, will sich die Steuergruppe ab dem
kommenden Schuljahr zur Aufgabe machen.
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